milk&bread / rice&water

Dieses Projekt hat das „Fremd – Sein der Körper“ zum Thema. Wir nähern uns der Thematik aus zwei Richtungen. Mit „Fremd ” meinen wir einmal das uns kulturell Fremde, d.h. Körper, denen wir begegnen und deren Bewegungsmuster, deren Präsenz, deren Ausstrahlung uns fremd erscheint. Wir werden davon angezogen (exotisch) oder distanzieren uns (Angst vor dem Anderen). Zum Zweiten meint dieses „Fremde“ aber auch uns selbst, unseren Körper, als Körper in einer Zeit, in der es Milliarden Bilder von Milliarden Körpern gibt, in der wir in einer gewaltigen „Körperpresse“ stecken (Jean-Luc Nancy), zugeschüttet mit Bedeutung, nicht wissend was das eigentlich (noch) ist, unser Körper?

KONKRET:

Während unserer Arbeit in China wurden wir immer wieder mit dem Phänomen konfrontiert, dass das, was wir unter „Körper“ verstehen, unsere Körper-Bilder, unser Verständnis und unsere Vorstellung von Subjekt und Objekt, von Utopie, den Begriff Körper betreffend, mehr oder weniger stark abwichen von den Vorstellungen der mit uns arbeitenden chinesischen TänzerInnen, ChoreografInnen, KünstlerInnen. So „liest“ auch ein asiatisches Publikum das, was in Tanzaufführungen gezeigt wird, die Bewegungen von Körpern, deren Kommunikation auf der Bühne, anders als ein europäisches Publikum. Trotz Globalisierung tritt die Kulturdifferenz klar zutage, denn Körperbilder und Vorstellungen sind kulturell tief verwurzelt.

Die Ursprünge des Körperverständnisses sind, was unsere europäische Tradition im Vergleich zur chinesischen Tradition anbelangt, sehr verschieden. Dabei spielen Religion, Wissenschaft, Philosophie ebenso eine Rolle wie Geografie, Geschichte, Ökonomie, Regierungsformen, Herrschaftspraktiken, Vorstellungen von Rassenhierarchien. Ein Beispiel: es war in der traditionellen chinesischen Medizin verboten, den Körper zu öffnen. Dies hatte u.a. mit dem taoistischen Menschenbild zu tun. Daraus entwickelte sich ein Verständnis vom Körper als „geschlossenes Gefäß“ mit Energie-Strömen, Energie-Zentren und ihren Balancen und Dis-Balancen. Aus diesem Verständnis heraus entstand u.a. die Akupunktur als Methode, den Körper durch gezielte Manipulation der Energieströme im Körper zu heilen, ohne ihn zu öffnen. Dahinter steht ein starker ganzheitlicher Begriff von Körper – Energie – Fluss: jede Entwicklung bewegt sich auf Kreisbahnen. In Europa wurde schon in der griechischen Antike begonnen, den Körper in seine Teile zu zerlegen. Aufklärung, Rationalismus, zunehmende Trennung von Wissenschaft und Religion, haben dieses Eindringen, Zerlegen, Fragmentieren des Körpers bis in sein Innerstes theoretisch und praktisch vorangetrieben und extrem entwickelt. Ein Produkt dieser Entwicklung ist das dualistische Denken in Materie und Geist, Körper und Seele: das Paradigma der Linearität. Diese Art von Prägung hat so in China nicht stattgefunden.

Dies sind kurz skizzierte Phänomene differenter Körperverständnisse, die tiefe Spuren hinterlassen haben bis in die Gegenwart und die ein „Fremd – Sein“ dessen, was der Körper bedeutet, aus dem kulturellen Kontext heraus erklären.

Mit einer Gruppe von 3 chinesischen und 3 europäischen Tänzer/ChoreografInnen wollen wir dem „Fremd – Sein der Körper“ auf die Spur kommen.

Die praktische Umsetzung wird in mehreren Arbeitsprozessen in Berlin und Shanghai von April 2011 bis September 2011 stattfinden. Es wird während des Probenprozesses öffentliche Proben geben.

Uraufführung in Berlin, im EDEN, 03. September 2011.

Konzept, Choreografie: Jutta Hell, Dieter Baumann

Tanz, Choreografie: Mercedes Appugliese, Florian Bilbao, Er Gao, Li Ling Xi, Liu Ya Nan, Ute Pliestermann

Raum, Kostüm: Jutta Hell

Musik-Komposition: Yin Yi

Licht: Jochen Massar

 

 

 

 

 

 

Foto: Sven Neumann

Eine Produktion der Tanzcompagnie Rubato 

gefördert durch den

Regierenden Bürgermeister von Berlin

Senatskanzlei–Kulturelle Angelegenheiten

und dem Fonds Darstellende Künste e.V.

in Kooperation mit

B_M-Space u. Mahjong Dance, Shanghai

Eden***** / Dock 11, Berlin